Interview mit Weltmeisterschaftsteilnehmer Stephan Zapf

Stuttgart (04.12.2001)

Langsam geht ein überaus erfolgreiches Jahr für den zweiundzwanzigjährigen Turner Stephan Zapf zu Ende. Bereits im Frühjahr wurde mit dem Titel Deutscher Mannschaftsmeister für die EnBW KTV Stuttgart ein Höhepunkt erreicht. Bei den Deutschen Einzelmeisterschaften erreichte der für den TV Haslach startende Zapf den fünften Platz und qualifizierte sich damit für die Weltmeisterschaften in Gent. Es folgte dann eine positive Überraschung; Zapf wurde 16. und damit auch noch bester Deutscher Turner bei den Weltmeisterschaften. Landeskunstturnwart Werner Zimmer unterhielt sich mit dem in Stuttgart trainierenden Athleten.

Zimmer: Bei der Weltmeisterschaft in Belgien hat es zunächst nicht für das Finale der besten Mehrkämpfer geklappt. Wieso bist Du dann doch der beste deutsche Turner geworden?

Zapf: Bei der Qualifikation hat es zum 34. Platz gereicht. Durch die Absage eines Turners und die Verletzung eines zweiten Turners hat es doch noch gereicht. Ich habe versucht im Kopf frei zu bleiben und meinen Wettkampf durchzuziehen. Zum Schluss hat es bis zum 16. Platz gereicht. Durch dieses Einzelergebnis und die Platzierung von Kwiatkowski war der Bundestrainer doch noch mehr oder weniger zufrieden.

Zimmer: Wie war die Stimmung bei Trainer und Mannschaft nach dem schlechten Abschneiden der Mannschaft in Gent?

Zapf: Alle waren unzufrieden und frustriert. Wir haben uns mehr ausgerechnet. Alle waren fit, das Potenzial war vorhanden. Doch durch die Vorbereitung auf das Mehrkampffinale hatten wir auch Ablenkung.

Zimmer: Gab es eine Feier mit der Frauenmannschaft, die ja überraschenderweise auf dem 8. Platz gelandet ist?

Zapf: Wir haben darauf angestoßen, aber es war direkt nach unserem Wettkampf und wir mussten uns auch wieder vorbereiten. Die Erwartung der Ergebnisse war genau andersherum. Männer besser als Frauen. Nach unserem Wettkampf haben wir aber gehofft, dass die Frauen es besser machen. Das haben sie dann auch gemacht.

Zimmer: In Chemnitz bei den Deutschen Meisterschaft bist Du vor dem letzten Durchgang in Führung gelegen. Ein Patzer am Pauschenpferd hat den möglichen Titel vereitelt. Bist Du sehr enttäuscht gewesen?

Zapf: Nein. Es lag an mir. Das große Ziel war für mich die WM zu erreichen. Den Sprung in die WM-Mannschaft habe ich erreicht.

Zimmer: Wie beurteilst Du das Niveau der Meisterschaften, nachdem bereits am Freitag ein Qualifikationsdurchgang mangels Masse abgesagt werden musste?

Zapf: Es ist schwer durch die Umstellung internationalen Wertungsvorschriften seine Übungen umzustellen. Viele waren unsicher. Ich denke in den nächsten Jahren wird es wieder besser. Es war zu kurze Zeit sich darauf einzustellen.

Zimmer: Der Länderkampf in Freiburg im Oktober war ein besonderes Ereignis: Turnen vor heimischen Publikum und ein außergewöhnliches Medieninteresse. Hast Du deshalb in der Einzelwertung den ersten Platz belegt?

Zapf: Ich war schon sehr motiviert. Ich wollte mich nicht vor dem Publikum und den Medien blamieren. Es hätte auch schief gehen können. Im Nachhinein gesehen war der Druck fast schon zu groß.

Zimmer: Beim Länderkampf gab es ein Wiedersehen mit Deinen ehemaligen Trainern. Wie ist heute Dein Verhältnis zum badischen Landestrainer Thomas Kammerer, mit dem Du Dir in Herbolzheim die Basis zu den heutigen Erfolgen erarbeitet hast?

Zapf: Wir haben ein sehr gutes Verhältnis. Wir telefonieren oft miteinander. Durch unsere Tätigkeiten sehen wir uns allerdings selten. An Weihnachten wollen wir uns treffen und gemütlich Essen gehen. Ich sehe Thomas auch heute noch als zweiten Vater. Ich habe ihn in der Zeit in der ich in Herbolzheim trainiert habe mehr gesehen als meinen eigenen Vater. Wäre Thomas nicht gewesen wäre ich nicht da hingekommen wo ich heute bin.

Zimmer: Einen weiteren Trainer der mitfieberte, habe ich Freiburg entdecken können: Siegried Müller, der Macher vom TV Haslach. Heute lebst Du in Stuttgart, bist Du trotzdem noch regelmäßig in Haslach?

Zapf: Wenn ich die Zeit finde versuche ich so oft wie möglich nach Haslach zu gehen. Mein Freundeskreis ist in Haslach. Siegfried sehe ich eher selten bei Wettkämpfen oder Schauturnen. Wenn die neue Kunstturnhalle in Haslach fertig ist werde ich dort, wenn ich in Haslach bin, trainieren. Meine Eltern besuche ich sooft es geht, meistens am Sonntag Mittag zum Essen.

Zimmer: Beim DTB-Pokal in Stuttgart hast Du das Finale an den Ringen erreicht, aber die Übung wirkte nicht so kraftvoll wie sonst. Gab es Gründe dafür?

Zapf: Direkt nach der WM bin ich zum Unteroffizierslehrgang nach Frankenberg in Sachsen gegangen. Es gab wenig Zeit zum Trainieren. Das hat zu einem Trainingsrückstand geführt.

Zimmer: Was hast Du bei Deinem ersten Auftritt bei einem Weltcup-Turnier erwartet?

Zapf: Erwartet nichts, ich wollte mich so gut es geht vorstellen. In der Qualifikation war die Übung einiges besser aber im Finale wäre nicht mehr als der sechste Platz drin gewesen.

Zimmer: Kannst Du Deine bisherige Ausbildung außerhalb des Turnens kurz zusammenfassen.

Zapf: Nach der Realschule bin ich nach Lahr zum Sozialpädagogischen Gymnasium gewechselt. Nach dem Abitur bin ich zur Bundeswehr als Wehrdienstleistender. Ein paar Monate später habe ich mir überlegt einen Antrag zu stellen als Zeitsoldat auf zwei Jahre. Der Antrag ging durch. Seither habe ich immer für ein Jahr verlängert. Direkt nach der Grundausbildung bin ich in die Sportfördergruppe gekommen.

Zimmer: Wie sieht Dein Alltag als Bundeswehrangehöriger aus und welchen Dienstgrad hat Du im Moment?

Zapf: Heute wurde ich zum Unteroffizier befördert. In der Sportfördergruppe gibt es 30 % militärischen Dienst und 70 % Sport. Der Alltag ist je nach dem abhängig davon, wann ich zum Dienst erscheinen muss. Ansonsten habe ich jeden Tag zweimal Training, insgesamt 6 Stunden und ab dem nächsten Jahr drei Trainingseinheiten und sieben Stunden.

Zimmer: Wie lange ist die Unterstützung der Bundeswehr sicher und an welche Bedingungen ist sie geknüpft?

Zapf: Sicher ist sie nur, wenn kein Kriegfall eintritt. Dann bleiben die Sportfördergruppen vorerst bestehen. Wie lange die Bundeswehr den Soldaten unterstützt hängt von seiner Leistung ab.

Zimmer: Dein Training findet im Kunst-Turn-Forum Stuttgart statt. In der letzten Zeit hat ein Wechsel des Trainer von Anatoli Jarmovski zu Klaus Nigl stattgefunden. Welche Unterschiede gibt es in den Trainingsmethoden und beim persönlichen Umgang?

Zapf: Es hat kein Wechsel stattgefunden. Anatoli ist weiterhin mein Trainer. Zusätzlich auch noch Klaus Nigl, weil er der für die Kaderathleten zuständige Bundestrainer ist. Es gibt also ein Trainerteam. Die Unterschiede beim persönlichen Umgang sind zum Teil wie Tag und Nacht. Die Methoden sind ähnlich.

Zimmer: Wie oft trainierst Du in der Woche? Wie sieht ein Training aus?

Zapf: Es gibt 11-12 Trainingseinheiten in der Woche. An jedem Tag immer Erwärmung, Beweglichkeit, Kraft, Trampolin und alle sechs Geräte verteilt auf den Tag.

Zimmer: Ist das eine Belastung, die Du Dir noch jahrelang vorstellen kannst?

Zapf: Bestimmt nicht so lange wie Belenki.

Zimmer: Turnen ist auch ein Mannschaftssport. Du bist vertreten in der Nationalmannschaft und in der Bundesligamannschaft von Stuttgart. Macht es Dir mehr Spaß in einer Mannschaft zu starten?

Zapf: In einer Mannschaft ist immer eine bessere Stimmung wie beim Einzelstart.

Zimmer: Bleibt noch Zeit für Freizeitaktivitäten und Hobbies?

Zapf: Wenig. Ich mache das was mich interessiert, wenn die Zeit es zulässt.

Zimmer: Hast Du eine Freundin?

Zapf: Zur Zeit habe ich keine. Ich würde es in der Zeit vor WM auch keiner zumuten wollen. Sie wäre auf der Strecke geblieben. Jetzt würde es die Zeit mehr zulassen.

Zimmer: Welche Unterstützung erhältst Du von den Verbänden BTB, STB und DTB?

Zapf: Der STB macht fast alles mich. Er behandelt mich so als würde ich schon zum STB gehören. Vom BTB habe ich seit meinem Wechsel nicht mehr viel mitgekriegt. Der STB klärt jetzt alles für mich. Der DTB ist der oberste Verband der für mich zuständig ist.

Zimmer: Hast Du einen Fanclub? Würdest Du Dir einen wünschen?

Zapf: Keine Ahnung. So lange es nicht überhand nehmen würde hätte ich nichts gegen einen Fanclub.

Zimmer: Wieso trägst Du bei Einzelmeisterschaften nicht das Trikot von Haslach?

Zapf: Weil ich keines mehr besitze.

Zimmer: Kannst Du Dir einen Start bei den Baden-Württembergischen Meisterschaften 2002 vorstellen?

Zapf: Wenn sie in meine Wettkampfplanung reinpassen ja, ansonsten eher nein.

Zimmer: Im Jahr 2001 hat man Dich oft beim SWR in den Medien gesehen. Wie hast Du Dich auf diese Herausforderung vorbereiten können?

Zapf: Wir haben Anfang des Jahres beim Kaderlehrgang des DTB ein Medienseminar gemacht. Wir haben Informationen erhalten mit Kameras umzugehen. Ansonsten habe ich versucht mich natürlich zu geben. Je mehr Interviews man gibt, desto sicherer wird man.

Zimmer: Was nimmst Du Dir für das Jahr 2002 vor?

Zapf: Meine Ausgangswerte an den einzelnen Geräten anzuheben. Die Übungen sicher und sauber durchzuturnen und gesund zu bleiben. Wenn ich das schaffe wird der Rest automatisch folgen.